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Liebe Hochschulen,

in Zeiten multipler Krisen habt ihr es nicht leicht. Wissenschaft steht unter Beschuss, es fehlt an allen Ecken und Enden Geld für Grundlagenforschung und vor allem für Personal. Studierende merken das, müssen ihr Studium verlängern, weil es zu wenig Kurse gibt, können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die tolle Lehrkraft, mit der man gerade warm geworden ist, auch im nächsten Semester noch da ist. Das System Hochschule ist instabil geworden und gleichzeitig seid ihr gerade jetzt besonders gefragt, euch zu positionieren, euch mit allen Kräften dem Rechtsruck in diesem Land entgegenzustellen und schwierige Debatten auszuhalten. Wir sehen diese Belastungen und erkennen an, dass es keine einfachen Lösungen geben wird.

Dennoch merken wir, dass die Beschäftigten, die die Hochschulen in Forschung, Lehre, Technik und Verwaltung am Laufen halten, immer mehr aus dem Blick geraten. Politisch wird jetzt seit Jahren um eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz gerungen und 2024 steht doch tatsächlich im Raum, die Bemühungen aufzugeben und zu 6 Jahren Post-Doc-Befristung zurückzukehren. Für uns Promovierende ist das ein alarmierendes Signal. Ob wir promovieren oder nicht, machen wir zwar nicht in erster Linie daran fest, wie aussichtsreich eine potenziell akademische Laufbahn ist, aber zu merken, dass unsere Zukunft auf der Kippe steht, zeigt uns, dass wir an den Hochschulen nicht gewollt sind. Gleichzeitig sehen wir die Studierenden, denen Lehrkräfte fehlen, unsere älteren erfahreneren Kolleg*innen, die jede Woche zahlreiche Überstunden leisten und unsere Unterstützung in Forschung, Verwaltung und Lehre dringend bräuchten.

Wir Promovierende sind die Zukunft der Hochschulen. Die Rahmenbedingungen, die jetzt politisch als auch an den Hochschulen selbst geschaffen werden, werden unsere berufliche Laufbahn maßgeblich beeinflussen. Wir lieben, was wir tun. Aber wir sind nicht bereit, prekäre Arbeitsbedingungen, ausufernde Überstunden, erzwungene Umzüge und ständige Existenzangst noch länger hinzunehmen. Deshalb werden wir laut und fordern euch auf, euch der politischen Richtung zu widersetzen, zu protestieren für das wertvollste Gut, was ihr habt: die Wissenschaftler*innen, die für euch arbeiten.

Versteckt euch nicht hinter Ausreden: auch ohne Bundesregierung könnt ihr etwas tun. Einige Hochschulen machen es bereits vor, schließt euch ihnen an – das geht auch und muss gerade gehen bei einer schlechten Finanzlage. Ruht euch nicht darauf aus, dass der „Nachwuchs“ schon kommen wird. Unsere Motivation reicht schon längst nicht mehr aus, um über die Arbeitsbedingungen hinwegzutäuschen. Wir fordern echte Wertschätzung, keine Lippenbekenntnisse. Ihr profitiert von unserem Wissen, unseren Ressourcen, unseren Überstunden. Doch wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts tut, werden wir gehen – und unser Wissen, unsere Ressourcen und unsere Überstunden mitnehmen. Ihr habt jetzt die Chance, euch für faire Arbeitsbedingungen einzusetzen, etwas zu verändern. Uns Promovierende könnt ihr dabei stets an eurer Seite wissen. Wir möchten nicht gegen euch arbeiten, wir möchten mit euch arbeiten.

01 |

Liebe Hochschulen, liebe Politiker*innen,

eigentlich wurde ich angehalten einen wütenden Brief zur prekären Lage in der Arbeitswelt Wissenschaft an Sie zu schreiben. Und ja, mich nerven viele Sachen, u.a. mit einem Jahr Masterabschluss bereits den dritten Arbeitsvertrag zu haben. Aber Sie wissen selbst – bzw. können es sich denken – was für Unsicherheiten dies für eine Einzelperson mit sich bringt, um mit Familiengründung und Wohnort mal nur zwei Beispiele zu nennen. Und ich glaube, dass Sie das auch nicht wirklich für Ihre Hochschulangehörigen bzw. Arbeitnehmer*innen wollen. Deswegen: Lassen Sie uns zur Abwechslung mal ein positives Bild vom Arbeitsplatz Wissenschaft zeichnen, ein Ziel auf, dass es sich lohnt gemeinsam hinzuarbeiten!

Ich würde mich gern auf Ausschreibungen bewerben, bei denen jede*r Bewerber*in die gleichen Chancen hat und ohne dass der*die Kandidat*innen bereits feststehen. Ich wünsche mir Arbeitsverträge mit Möglichkeiten zur Entfristung, eine Vergütung entsprechend meiner tatsächlich gearbeiteten Stunden, genügend Zeit für die Mitarbeiter*innen der Personalabteilungen, um Verträge nicht erst einen Tag vor Arbeitsbeginn unterschreiben zu müssen. Ich wünsche mir Zeit für kreative Forschungsideen, Planungssicherheit über mehrere Jahre, einen geringeren Publikationsdruck, mehr Wertschätzung und Unterstützung in der Hochschullehre sowie bei der Wissenschaftskommunikation. Ist das wirklich zu viel verlangt?

Ich liebe die Stadt, in der ich lebe und in der ich studieren durfte; ich möchte meine Freund*innen, Familie, Lieblingscafés, Joggingrouten und Wanderwege hier nicht aufgeben, nur weil die Arbeitsbedingungen es partout nicht hergeben, in der Nähe einen Job zu finden, bei dem ich eine Perspektive über mehrere Jahre bekomme. Denn ich liebe auch die Arbeit in der Wissenschaft. Auch wenn mein Bild sicherlich noch von den Naivitäten einer Berufsanfängerin geprägt ist, so mag ich doch den Spirit einer Forschungseinrichtung: Viele Menschen, die sich für das begeistern was sie studieren und sich darüber hinaus engagieren; das Campusleben per se und wie auf so engem Raum so viele verschiedenen Disziplinen miteinander leben und arbeiten; Menschen, die intrinsisch an dem interessiert sind, woran sie arbeiten/forschen, gleichzeitig hochmotiviert und dafür auch bereit sind viel zu geben. Unterstützen Sie diese Leute! Sie haben die Karten dazu in der Hand! Sorgen Sie mit einer fairen Novellierung des WissZeitVG und entsprechender Förderung des Wissenschaftsbetriebs, für Arbeitsplätze und -bedingungen, die Raum und Zeit für kreative und innovative Forschung und Lehre geben, die Menschen längerfristig in der Wissenschaft halten und uns als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit zu etablieren.